Susanne Schlotmann arbeitet seit 2019 als Kur-Beraterin für den Caritas-Verband Rhein-Sieg in Siegburg.
Sie hilft Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen dabei, eine Kur zu beantragen. Im Interview spricht sie über die Wichtigkeit von Kuren, über Sorgen und Ängste von Pflegepersonen und die Notwendigkeit einer guten Planung.
Hallo Frau Schlotmann, wir freuen uns sehr, dass sie uns für Fragen rund um das Thema "Kuren für pflegende Angehörige" als Expertin zur Seite stehen. Beginnen wir doch direkt mit unserer ersten Frage:
Die Praxis zeigt, dass viele pflegende Angehörige das Angebot einer Vorsorge-Kur und ihr Recht darauf gar nicht kennen. Grundsätzlich vorab, was ist das Ziel einer solchen Kurmaßnahme für pflegende Angehörige?
Frau Schlotmann: Das Ziel einer Kurmaßnahme für Pflegende Angehörige ist eine Stabilisierung der psychischen und körperlichen Gesundheit. Der Abstand von der Pflege und die einzelnen Anwendungen in der Kurmaßnahme tragen dazu bei, dass die Pflegenden Angehörigen gestärkt zurückkehren. Die Kurmaßnahme bietet die Möglichkeit sich selbst und die eigene Gesundheit wieder in den Blick zu nehmen.
Wie unterscheidet sich eigentlich eine Kur für pflegende Angehörige von anderen, allgemeinen Kurmaßnahmen?
Frau Schlotmann: Die Kurmaßnahme ist speziell auf die Situation der Pflegenden Angehörigen ausgerichtet. Es werden sowohl Anwendungen angeboten, die den körperlichen Beschwerden entgegenwirken, aber auch Maßnahmen, die zur psychischen Stabilisierung des Betroffenen beitragen. Viele Kliniken bieten eine Kurmaßnahme für Pflegende Angehörigen in einer festen Gruppe an. In den sogenannten „Angehörigengesprächskreisen“ ergeben sich gute Möglichkeiten Erfahrungen auszutauschen und Unterstützung von anderen zu erfahren, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
Wie können Sie Ratsuchenden helfen, ein gutes und für ihre Situation passendes Kur-Angebot zu finden?
In der Regel ist die Versorgung des pflegebedürftigen Angehörigen über die Leistungen der Pflegekasse (Kurzzeitpflege/Verhinderungspflege) möglich und entweder in Wohnortnähe oder Kurkliniknähe organisiert.
Aus der Praxis: Gibt es spezielle Angebote für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige mit Demenz?
Frau Schlotmann: Es gibt Kliniken, die den zu Pflegenden mit aufnehmen. Die zu Pflegenden werden im Rahmen der Tagespflege betreut, während die Kurteilnehmer an den angebotenen Maßnahmen teilnehmen. Die Unterbringung erfolgt dann in einem gemeinsamen Zimmer oder auch getrennten Zimmern.
Gibt es auch spezielle Angebote für pflegende Angehörige und pflegebedürftige Kinder mit Behinderung? Haben Sie ein Beispiel?
Frau Schlotmann: Verschiedene Kliniken haben einen Schwerpunkt oder sogar eine Spezialisierung auf Mutter-/Vater-Kind-Kuren mit behinderten bzw. pflegebedürftigen Kindern. Hier sind Eltern und ihre Kinder in einer Klinik untergebracht und die Versorgung des zu pflegenden Kindes wird in der Klinik sichergestellt. In der Regel wird hier auch der Antrag auf Vorsorge über §24 gestellt, so dass weder Verhinderungspflege noch Kurzzeitpflege für die Kur in Anspruch genommen werden muss. Eine Unterbringung in Kurzzeitpflegeeinrichtungen in Kliniknähe ist eher schwierig, zumal es ohnehin sehr wenige Einrichtungen gibt, die Kurzzeitpflegeplätze für Kinder anbieten. Es gibt jedoch Kliniken, die auch das leisten können. Sollte dennoch ein Kurzzeitpflegeplatz notwendig sein, ist häufig eine langfristige Anbahnung notwendig: Die Kinder werden zumindest schon mal über das Wochenende dort zum Kennenlernen aufgenommen, lange Wartezeiten müssen in Kauf genommen werden.
Wir erleben immer wieder eine Ablehnung der Kur, wenn der Pflegebedürftige einen hohen Pflegegrad hat (4+5), da eine so intensive Versorgung in den Kliniken nicht gewährleistet werden kann.
Was macht aber eine alleinerziehende Mutter eines Kind mit PG5, kann sie keine Kur in Anspruch nehmen?
Frau Schlotmann: Wir machen eher die Erfahrung, dass Kuren zwar von den Kassen bewilligt werden, aber die Kurkliniken z.T. Schwierigkeiten haben, die Betreuung oder Pflege sicher zu stellen. Kritische Punkte sind z.B. die Notwendigkeit einer Einzelbetreuung, künstliche Ernährung oder Beatmung. In manchen Fällen ist es auch gelungen, dass Pflegekräfte als Begleitung mit zur Kur gebracht werden konnten – wenn die Krankenkasse das finanziert.
Daher ist auch für alleinerziehende Mütter eine Kur grundsätzlich möglich, wenn das Kind PG 5 hat. Nur ist dann die Auswahl der Kurmöglichkeiten sehr begrenzt und die Wartezeiten sind sehr lang.
Oder gibt es doch spezielle Angebote für pflegende Angehörige und höchst Pflegebedürftige (PG 4+5)?
Frau Schlotmann: Es gibt einige Kliniken, die auch die Aufnahme, der zu Pflegenden mit höheren Pflegegrade anbieten. Eine Unterbringung erfolgt dann im Rahmen der Tagespflege in der eigenen Einrichtung oder in der Kurzzeitpflege in der Nähe der Klinik. Die Ablehnung der Kurmaßnahme für den/die Pflegende:n Angehörige:n steht damit nicht in Verbindung. Die Übernahme der Kosten für die Kurmaßnahme wird in der Regel bewilligt. Die Versorgung des/der Pflegebedürftigen in der Kurzzeitpflege muss parallel organisiert werden und das ist oft herausfordernd.
An unserer Hotline hören wir immer wieder Gründe, warum Angehörige eine Kur eben auch NICHT in Anspruch nehmen.
Was geben Sie pflegenden Angehörigen mit, um mit Ängsten und Sorgen, die ein potenzieller Kurantritt mit sich bringen kann, umzugehen und um eine Lösung für sich zu finden?
Frau Schlotmann: Die Pflegenden Angehörigen, die zu einem Gespräch in unsere Beratungsstelle kommen, tragen den Gedanken eine Kurmaßnahme in Anspruch zu nehmen in der Regel schon einige Zeit mit sich. Die Sorgen und Ängste kann ich den Angehörigen nicht nehmen. Oft müssen sich die Klienten mit dem Gedanken zunächst anfreunden, dass sie im Mittelpunkt stehen und die Kurmaßnahme für sie beantragt wird. Ich erzähle von den vielen positiven Rückmeldungen der anderen Klienten und ermutige sie den Schritt zu gehen. Der Erhalt der eigenen psychischen und physischen Gesundheit ist die Voraussetzung, um für den zu Pflegenden da zu sein.
Oft finden pflegende Angehörige keinen freien Kurzzeitpflegeplatz für ihren Angehörigen. Wie helfen Sie in so einer Situation?
Frau Schlotmann: Wenn keine Kurzzeitpflege im Heimatort gefunden wird, besteht die Möglichkeit Kliniken zu suchen, die mit Einrichtungen in der Nähe der Klinik kooperieren. Bei der Suche nach einer Kurzzeitpflege am Heimatort sind die Pflegestützpunkte gern behilflich.
Wie kann eine gute Planung ablaufen, damit Kur-Platz und Kurzzeitpflege zur gleichen Zeit gebucht/reserviert sind?
Frau Schlotmann: Hier gilt es zu beachten, dass in der Regel immer der Termin in der Kurzzeitpflege zuerst koordiniert werden sollte. Die Kliniken nehmen in manchen Fällen im Wochenrhythmus auf und wissen um die Problematik.
Welche Möglichkeiten gibt es gegebenenfalls noch, auch bei bereits (nahezu) aufgebrauchten Leistungen der Verhinderungspflege / Kurzzeitpflege eine notwendige Kur antreten zu können?
Frau Schlotmann: Sollte eine finanzielle Unterstützung notwendig sein, wenden Sie sich bitte an Ihre Kurberatungsstelle.
Wann sollten die Menschen mit der Organisation einer Kur beginnen? Wie viel Vorlaufzeit sollten sie einplanen?
Frau Schlotmann: Die Vorlaufzeit hängt von vielen Faktoren ab. Mit paralleler Versorgung des zu Pflegenden in einer separaten Einrichtung ist der Aufwand höher und die Organisation entsprechend intensiv. Wenn der/die zu Pflegende im Idealfall zu Hause versorgt werden kann, dann kann auch eine kurzfristige Aufnahme in einer Klinik für den Pflegenden Angehörigen möglich sein.
Möchten Sie Ratsuchenden zum Abschluss noch etwas mit auf den Weg geben?
Frau Schlotmann: Sprechen Sie die Kurberatungsstellen an und vereinbaren Sie einen Beratungstermin. Gemeinsam können wir nach Lösungen schauen und zu den verschiedenen Möglichkeiten beraten. Wie freuen uns auf Sie!
Der Pflegewegweiser NRW bedankt sich herzlich für das Interview bei Frau Schlotmann.