Warum ist der Antrag auf Feststellung einer Pflegebedürftigkeit so wichtig?
Nur Menschen mit einer anerkannten Pflegebedürftigkeit haben Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Deshalb sollten Sie so schnell wie möglich einen Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit stellen. Zuständig ist immer die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person. Zunächst reicht ein formloser Antrag. Die Pflegekasse schickt dann alle notwendigen Formulare zu. Viele Pflegekassen bieten die Antragsformulare auch online an.
Pflegeberatungsstellen können bei der Antragstellung helfen. Eine Pflegeberatung in Ihrer Nähe finden Sie über unsere Datenbank.
Wie wird der Unterstützungsbedarf ermittelt?
Sobald ein Antrag auf Pflegeleistungen eingeht, beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) mit einem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Die Gutachterin oder der Gutachter besuchen daraufhin die antragstellende Person und überprüfen anhand festgelegter Kriterien, wie selbstständig sie ihr Leben führen kann und wobei sie Hilfe braucht. Dabei berücksichtigen sie körperliche und geistige Einschränkungen gleichermaßen.
Die Gutachter:innen unterscheiden vier Grade der Selbstständigkeit.
selbständig | Eine Handlung oder Aktivität ist in der Regel ohne fremde Hilfe möglich.Die pflegebedürftige Person kann ein Hilfsmittel, zum Beispiel einen Rollator, ohne fremde Hilfe nutzen. |
überwiegend selbständig | Die pflegebedürftige Person kann eine Handlung oder Aktivität größtenteils selbstständig ausführen. Dritte müssen dabei nur geringfügig unterstützen. |
überwiegend unselbständig | Die pflegebedürftige Person kann eine Handlung oder Aktivität nur zu einem geringen Teil selbstständig ausführen. Sie ist auf dauerhafte Anleitung, Beaufsichtigung und Motivation angewiesen. |
unselbständig | Die pflegebedürftige Person kann eine Handlung oder Aktivität in aller Regel nicht mehr selbstständig ausführen. Pflegende müssen bei der Verrichtung überwiegend unterstützen oder sie selbst übernehmen. |
Die Gutachter:innen überprüfen sechs Lebensbereiche, sogenannte Module, und vergeben Punkte.
Beispiel: Wie selbstständig bewegt sich die versicherte Person? Kann sie ihre Position wechseln, Treppen steigen und selbständig sitzen?
Beispiel: Wie gut findet sich die pflegebedürftige Person in ihrer Umgebung zurecht? Kann sie selbstständig Entscheidungen treffen? Weiß sie, welcher Wochentag ist?
Beispiel: Benötigt die pflegebedürftige Person aufgrund ihrer Verhaltensweisen Unterstützung durch andere? Ist sie zum Beispiel nachts sehr unruhig oder tritt sie aggressiv auf?
Beispiel: Kann sich die Person noch selbständig waschen und anziehen? Braucht sie beim Essen und Trinken Unterstützung?
Beispiel: Denkt die Person an ihre Medikamente. Kann sie diese richtig einnehmen? Braucht sie Hilfe beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen?
Die Punkte werden anschließend zusammengerechnet und ergeben den Pflegegrad. Allerdings zählen nicht alle Lebensbereiche gleich viel. Aus den Modulen 2 und 3 fließt der höhere Punktwert mit ein. Modul 4 (Selbstversorgung) wird mit 40 Prozent besonders stark gewichtet, Modul 1 (Mobilität) mit 10 Prozent dagegen nur gering.
Was genau bedeuten die Pflegegrade?
Es werden fünf Pflegegrade unterschieden. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Leistungen stehen einem pflegebedürftigen Menschen zu. Wer keinen Pflegegrad bekommt, hat auch keinen Anspruch auf Geld von der Pflegeversicherung.
Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
Selbstständigkeit oder Fähigkeiten sind gering beeinträchtigt
Beispiel: Frau Meyer fällt es zunehmend schwer, körperlich anstrengende Arbeiten zu erledigen. Sie bekommt Pflegegrad 1 zugesprochen und kann von dem Geld eine regelmäßige Putzhilfe bezahlen.
Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
Selbstständigkeit oder Fähigkeiten sind erheblich beeinträchtigt
Pflegegrad 3: 47,4 bis unter 70 Punkte
Selbstständigkeit oder Fähigkeiten sind schwer beeinträchtigt
Beispiel: Frau Müller lebt alleine. Körperlich kommt sie noch recht gut zurecht, in ihrer Wohnung kann sie sich problemlos orientieren. Muss sie ihr gewohntes Umfeld verlassen, fällt es ihr aber schwer, sich zurechtzufinden. Frau Müller braucht Hilfe bei der Körperpflege und der Medikamenteneinnahme. Neuerdings wacht sie nachts auf und sucht ihren verstorbenen Mann. Der Medizinische Dienst stellt Pflegegrad 3 fest. Frau Müller beantragt Pflegesachleistungen und beauftragt einen Pflegedienst, der sie regelmäßig bei der Körperpflege und der Medikamenteneinnahme unterstützt.
Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
Selbstständigkeit oder Fähigkeiten sind schwerstens beeinträchtigt
Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Selbstständigkeit oder Fähigkeiten sind schwerstens beeinträchtigt, mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Beispiel: Herr Maus ist schwer an Demenz erkrankt. Mittlerweile liegt er nur noch im Bett und ist alleine nicht mehr in der Lage, seine Position zu wechseln. Seine Frau dreht ihn in regelmäßigen Abständen um, damit er sich nicht wund liegt. Außerdem muss sie ihn jede Nacht beruhigen, weil er sehr oft aufwacht und völlig desorientiert ist. Ohne die Hilfe seiner Frau würde Herr Maus keine Mahlzeiten mehr zu sich nehmen. Der Medizinische Dienst stellt Pflegegrad 5 fest, damit hat Herr Maus Anspruch auf die Höchstsätze der Pflegeversicherung.
Eine Übersicht der verschiedenen Leistungen der Pflegeversicherung steht hier.