Es ist eine schwierige Situation, wenn die eigenen Eltern zunehmend mehr Hilfe im Alltag benötigen. Ihre Kinder stehen vor so kniffeligen Fragen wie
- Kann ich das Thema ansprechen, ohne kränkend zu sein?
- Wie finde ich heraus, wie groß der Hilfebedarf tatsächlich ist?
- Was wollen eigentlich meine Eltern?
- Wie lässt sich mehr Unterstützung organisieren?
Niemand gibt gerne zu, wenn etwas nicht mehr gut klappt oder Hilfe gebraucht wird – nicht vor sich selbst und schon gar nicht vor anderen. Das ist ein Grund, warum Menschen manchmal uneinsichtig sind, nicht akzeptieren wollen, dass sie eigentlich Unterstützung brauchen, und jede Hilfe ablehnen. Die folgenden Tipps können helfen, frühzeitig ins Gespräch zu kommen und gemeinsam gute Lösungen zu finden.
Schritt für Schritt vorgehen
Viele Menschen werden nicht von jetzt auf gleich pflegebedürftig. Der Bedarf an Hilfe nimmt nach und nach zu. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, das Thema immer mal wieder anzusprechen und schrittweise mehr Unterstützung in den Alltag der Eltern einzubauen. Vielleicht kommt am Anfang nur einmal wöchentlich eine Haushaltshilfe, um beim Putzen zu helfen. Nach ein paar Wochen übernimmt sie auch die Wäsche und Einkäufe. Anfangs bringt der Lieferdienst eventuell nur montags und mittwochs Essen auf Rädern, später dann jeden Tag. Dieses Vorgehen ermöglicht es Ihren Eltern, sich an die Unterstützung zu gewöhnen.
Bleiben sie dran, auch wenn die Gespräche unangenehm sind. Älteren Menschen gelingt es immer wieder, ihren Hilfebedarf über längere Zeit geschickt zu kaschieren – bis auf einmal gar nichts mehr geht und innerhalb kürzester Zeit Lösungen gefunden werden müssen. Dann ist keine Zeit mehr, in Ruhe gemeinsam zu überlegen, wie es weitergehen kann.
Frühzeitig Rat holen
Pflegeberatungsstellen informieren darüber, wie eine Pflege zu Hause organisiert werden kann und welche Finanzierungsmöglichkeiten bestehen. Sprechen Sie mit den Mitarbeiter:innen darüber, was es heißt, einen Angehörigen zu pflegen. Können Sie sich vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen, und gibt es andere nahestehende Personen, die dabei helfen könnten? Lassen Sie sich die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten erklären.
Was-wäre-wenn-Fragen stellen
Über den eigenen Hilfebedarf zu sprechen, ist schwierig. Gehen Sie möglichst behutsam vor und fragen Sie Ihre Eltern nach ihren Wünschen und Vorstellungen, wenn sie einmal auf Unterstützung angewiesen sein sollten. So merken Sie schnell, ob sie sich schon selbst Gedanken dazu gemacht haben und bereit sind, darüber zu sprechen.
Mögliche Fragen sind:
- Wie stellst du es dir vor, wenn du einmal nicht mehr selbst für dich sorgen kannst?
- Welche Unterstützung würdest du dann gerne haben?
- Würdest du dir wünschen, dass jemand aus der Familie zum Beispiel bei der Körperpflege hilft oder wäre es dir lieber, wenn ein Pflegedienst diese Aufgabe übernimmt?
Diese hypothetischen Fragen machen es leichter, eigene Bedürfnisse auszudrücken, weil die Situation noch nicht eingetreten ist.
Versuchen Sie, eigene Sorgen in Ich-Botschaften zu formulieren, und vorsichtig Vorschläge zu machen, wie eine Unterstützung aussehen könnte.
Beispiele für Ich-Sätze sind:
- Ich merke, dass es dir etwas schwerer fällt, den Haushalt zu bewältigen. Vielleicht kann dir jemand dabei helfen, zum Beispiel eine Haushaltshilfe.
- Mir ist aufgefallen, dass deine Haut in letzter Zeit sehr trocken ist. Wenn das Duschen und Eincremen schwieriger geworden sind, kann ich dir ja dabei helfen. Oder wir fragen die Dame vom Pflegedienst, die regelmäßig zu deiner Nachbarin kommt.
- Ich habe den Eindruck, du vergisst manchmal, deine Tabletten einzunehmen. Es könnte jemand von einem Pflegedienst morgens kurz vorbeikommen und dich daran erinnern.
Gemeinsam Vollmachten aufsetzen
Kinder können nur dann im Namen ihrer Eltern handeln, wenn sie dafür bevollmächtigt wurden. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung aufzusetzen. Diese Gelegenheit bietet sich an, um über die aktuelle Situation zu sprechen. Wo ist schon jetzt Unterstützung notwendig? In welchen Bereichen wünschen sich die Eltern künftig mehr Hilfe? Wer kann diese Aufgaben übernehmen? Machen Sie sich und Ihren Eltern klar, dass Sie alleine nicht alles leisten können und überlegen Sie gemeinsam, welche nahestehenden Personen helfen könnten.
Wünsche und Bedürfnisse aller ernst nehmen
Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause wohnen zu bleiben. Sie möchten ihr gewohntes Umfeld auf keinen Fall verlassen. Versuchen Sie, eine Lösung zu finden, die den Wünschen Ihrer Eltern entspricht. Aber vergessen Sie darüber nicht Ihre eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten. Sagen Sie Ihren Eltern klar, welche Aufgaben Sie übernehmen können und wo Ihre Grenzen liegen. So verhindern Sie von Anfang an, dass falsche Erwartungen entstehen. Bei aller Liebe und Fürsorge – pflegende Angehörige haben ein eigenes Leben und brauchen Zeit für sich. Niemandem ist geholfen, wenn sie selbst krank werden.
Auf Augenhöhe sprechen
Ihre Eltern werden nicht allen Vorschlägen sofort zustimmen. Wahrscheinlich wollen sie erst über die verschiedenen Optionen nachdenken. Möglicherweise lehnen sie die eine oder andere Idee ab. Das ist ihr gutes Recht. Versuchen Sie, das Gespräch immer auf Augenhöhe zu führen. Auf Pflege angewiesen zu sein bedeutet nicht, dass man keine eigenen Wünsche und Vorstellungen mehr hat. Fragen Sie deshalb immer wieder nach: „Wie siehst du das?“ oder „Was wünschst du dir?“. Wichtig ist, dass sie im Gespräch bleiben und gemeinsam überlegen, wie eine Unterstützung organisiert werden kann. Nur so können sie gemeinsam gute Lösungen finden.